Spuren sind wie Fussabdrücke im Sand der Geschichte. Von den Gezeiten der Zeitläufte verwischt zur Tabula rasa: Nichts bleibt. Ein Schmetterling hinterlässt keine Spuren. Aus der Larve verwandelte sich der Organismus in ein anderes flatterndes Wesen.
Unsere Kultur aber hat aus dem Ephemeren ein – zumindest vorübergehend – Bleibendes gemacht. Wir nennen es “Kulturelles Erbe”.
Diese Spuren auf Papier, auf Schellack, Vinyl – als Bits und Bytes in Speichermedien. Digitale Spuren, virtuelle Spuren, die wir ohne Geräte nicht mehr erkennen können.
Spuren führen aus Prinzip immer in die vergangene Geschichte zurück. Doch die Kunst: Ich behaupte, die Spuren, denen wir in der Kunst folgen, kommen aus der Zukunft auf uns zu!
Die Zukunft zu kennen ist unmöglich. Die Quantenphysik lehrt uns, dass es keinen Determinismus gibt. Es kann sein, dass der Flügelschlag des Schmetterlings zu einem Tornado in der Zukunft führen wird, doch es dies nur eine Möglichkeit. Jedes noch so kleine Teilchen, jedes Detail in unserem Leben, birgt eine unvorhersagbare zukünftige Spur in sich. In “The Butterfly Equation” führt die Notation meiner Musik in die Zukunft, denn nicht alles darin ist genau vorbestimmt. Je weiter das Stück “vorangeht” im zweiten Akt, um so mehr Möglichkeiten haben die Mitwirkenden, spontan im Moment zu handeln. Eine Wiederholbarkeit wird damit zunehmend unmöglich. Die Spuren, die hier in die Zukunft führen, werden sporadisch, werden zu Anhaltspunkten, springen von Ort zu Ort, bis sie im unendlichen Horizont unseren Ertwartungen sich entziehen. Nichts ist abgeschlossen, neue Schritte folgen, hinterlassen neue Spuren. Das, was zählt, ist die Erinnerung an das Gesagte, an das Gesungene.
Thomas Cornelius Desi, Lucca, Juni 2024